EDITORIAL

Von Masken und Gazetten

 

von Markus Lüdin

 

Geschätzte Leserinnen
Geschätzte Leser

Sie halten eine Premiere in Händen: die Erstausgabe des LG-Magazins «LGazette». Das halbjährlich erscheinende Magazin ist eine der beiden regelmässigen zukünftigen Publikationen unseres Gymnasiums.
Die «LGazette» hat journalistischen Charakter und bietet Raum für Beiträge zum Thema der jeweiligen Ausgabe. Die «LGazette» erscheint in Print und in digitaler Form. Damit möchten wir dem Bedürfnis nach einem traditionell haptischem Leseerlebnis gerecht werden und gleichzeitig die zusätzlichen Möglichkeiten des digitalen Mediums nutzen. Daneben gibt es weiterhin einen Jahresbericht, dessen Inhalte dokumentierender Art sind und die Chronologie unseres traditionsreichen Gymnasiums fortschreiben. Dieser erscheint neu nur noch in digitaler Form.

Eine «Gazette» ist ein periodisch erscheinendes Presseorgan. Der Begriff «Gazette» taucht zum ersten Mal im 17. Jahrhundert im Französischen auf und wird fortan vor allem bis Ende des 19. Jahrhunderts verwendet. In der deutschen Sprache wirkt er etwas veraltet und erscheint oft in pejorativem Kontext: «Man soll nicht alles glauben, was in den Gazetten steht», sagt der Volksmund. Oder: «Was die Gazetten nicht alles schreiben!» Dass die «LGazette» kein unglaubwürdiges Klatschblatt mit veraltetem Inhalt ist, sondern eine differenzierte, vielfältige Auseinandersetzung mit deren jeweiligem Thema beinhaltet, dafür stehen die beiden verantwortlichen Redaktoren, David Diehl und Fabian Jud, ein, welchen ich an dieser Stelle viel Elan, Esprit und gutes Gelingen wünsche!

Für die Erstausgabe haben sie das vielschichtige Thema «Masken» gewählt.
Eine Maske ist eine Gesichtsbedeckung, die meist in Theater und Kunst sowie zu rituellen und religiösen Zwecken verwendet wird. Als Schutzmaske kann sie dem Schutz des Gesichts oder Teilen davon dienen. Eine Maske kann sehr unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Zusammenhängen erfüllen. Ihr Träger kann sich mit ihrer Hilfe in eine dargestellte Figur verwandeln, oder die Maskierung ermöglicht die Einübung neuer oder übernommener sozialer Rollen. Tragen wir so gesehen in unserem Leben denn nicht immer eine Maske? Und geht es deshalb nur darum, die jeweils passende aufzusetzen?

Masken prägen seit dem Frühjahr 2020 unseren Alltag. Seit Beginn der Pandemie befinden wir uns in einer zuvor kaum vorstellbaren Szenerie. Was bedeutet es, wenn wir uns nicht mehr «von Angesicht zu Angesicht», sondern nur noch gefiltert sehen? Welche Auswirkungen hat dies auf unsere Kommunikation, unsere Beziehungen, unseren Unterricht? Wie präge ich mir neue Schülerinnen und Schüler ein, ohne deren Gesicht zu sehen? Wie haben die Angehörigen des LG diese neue Szenerie und die Herausforderungen der Pandemie bewältigt?
Solchen Aspekten gehen die vielfältigen Beiträge der Erstausgabe nach. Werfen wir einige Schlaglichter auf deren Inhalte.

Im Beitrag «Lernen in der Pandemie» diskutieren eine Schülerin und ein Schüler, zwei Lehrpersonen und die Schulleitung, wie sie das Lernen und den Schulbetrieb in den letzten drei, von Corona geprägten Semestern erlebt haben. Bewirkte die Pandemie eine Einschränkung des Lernens oder bot sie im Gegenteil Gelegenheit zur Innovation? Was haben die am Gespräch Beteiligten aus der Coronazeit gelernt? Welche Elemente des bisherigen Unterrichts wurden am meisten vermisst? Welche der im Lockdown gemachten neuen Erfahrungen und Möglichkeiten sollten erhalten bleiben?

Die Altphilologin Margaretha Debrunner schildert in einem anregenden Essay die irritierende neue Erfahrung, ihre Schülerinnen und Schüler nicht mehr «von Angesicht», sondern bloss noch gefiltert und durch Masken zu sehen. Sie vergleicht diese Erfahrung mit der Bedeutung der Masken im antiken Theater, wo diese als «persona» eine Art «interface» zum Publikum darstellten. Und sie fragt schliesslich, ob es denn überhaupt möglich und sinnvoll sei, keine Maske zu tragen.  

Anja Nickel schildert in einer witzigen Kolumne einen Tag im Lockdown als Biologielehrerin am LG und Mutter von vier Kindern, zwischen Computern, Harry Potter und der Regenwurm-Aufgabe. Im Vergleich dazu scheint das Jonglieren der Teller im Zirkus ein Kinderspiel.

Katja Brunner, Schriftstellerin und ehemalige Schülerin des LG, befasst sich in einem brillanten Beitrag mit der Frage, wie mit prekären Zeiten wie der unseren umzugehen ist. Sie stellt dabei fest, dass «man sich gegen alles gewöhnt» – auch in einer Pandemie –, dass gerade aber auch in prekären Zeiten gilt: «Lösungen lauern überall».  Sie bezeichnet die psychischen Erkrankungen junger Menschen in Erstweltgesellschaften als eigentliche Pandemie und kommt zum Schluss, dass in Zukunft die Prävention und die Förderung des kritischen Denkens an Schulen von zentraler Bedeutung sein werden.

Maria Schmid und Robert Dätwyler aus der Klasse 4d hatten die Chance, sich mit Bildungsdirektorin Silvia Steiner am LG zu treffen, um mit ihr über das Regieren in einer Pandemie zu sprechen. Frau Steiner beschreibt, wie sie die Veränderung des Alltags durch Corona persönlich erlebt hat, sie begründet den liberalen Weg, den die Zürcher Regierung wählte, und sie schildert die schwierigen und positiven Erfahrungen, die sie als Bildungsdirektorin während der Coronazeit gemacht hat.  

Im Beitrag «Neubeginn am Nullpunkt» schildern Daniel Riniker, Sabina und Joachim  Aeschlimann die Suche der AG Theater nach neuen Darstellungsmöglichkeiten in Zeiten der Pandemie und die damit verknüpfte Suche der mitwirkenden Schülerinnen und Schülern nach Hoffnungsfeldern für die Zukunft, eine Zukunft ohne Pandemie, und die Sehnsucht nach einer einfacheren Zeit, nach Nähe, Abenteuer, Freiheit.  

In der Anekdote «Der Fall Colloni» beschreibt Stascha Bader, wie er im Literaturunterricht die spezifischen Möglichkeiten des digitalen Unterrichts für die Schulung der Auftritts- und Argumentationskompetenz genutzt hat.

Guillemette Eppenberger aus der Klasse 4d hat das sprachlich originelle Schlusswort der Erstausgabe verfasst. Wer wissen möchte, warum am LG nicht nur «Bunker», «Sprachfreaks» und «Altgriechen» unterwegs sind. Wer sich wie sie fragt, warum Lehrer nicht «Voller» heissen. Wer wissen möchte, was diese leeren, wenn nicht Biergläser, oder was zu tun ist, wenn diese «kränklich zu Hause hausen» – der lese ihren Beitrag!

Zum Schluss noch ein Wort zum visuellen Konzept der «LGazette». Neben den vielen textbezogenen Illustrationen und Fotografien führt eine Bildstrecke der Klassen 2b, 2c und 2d durch das Magazin, welche im wörtlichen Sinne eine Transformation von „Gazetten“ zu „Masken“ vollzieht – und spielerisch die Vielschichtigkeit des vorliegenden Themas verbildlicht.


Geschätzte Leserinnen und Leser,

ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre der «LGazette»!

Herzlich,
Markus Lüdin

 


Markus Lüdin ist der Rektor des Literargymnasiums