EDITORIAL

Weitsicht

 

von Fabian Jud und David Diehl

 

Liebe Leserinnen  
Liebe Leser

Die erhobene Hand Ganymeds zeigt Zeus – erschienen in Form eines Adlers, des Königs der Lüfte –, wohin der Jüngling sich wünscht. Nach oben, weit nach oben in die Höhen des Olymps. Die Sehnsucht des Ganymeds steht im Zentrum; er bittet Zeus darum, ihn sozusagen zu entführen, mitzunehmen an den verwunschenen Ort. Doch die schneebedeckten Gipfel der Berge sind nicht zu sehen. Nicht die des Olymps, die ohnehin über 1370 Kilometer weiter süd-westlich in den Himmel ragen.

Auch die Glarner Alpen, die man bei schönem Wetter vom Bürkliplatz aus bestaunen kann, sind nicht zu sehen. Nebelverhangen sind die Küsten des Zürichsees. Ruhig ist das Wasser. In der Weite ein Ruderboot, ein Doppelzweier. Der Ruderer auf der Bugseite wendet sich mit zielgerichtetem Blick. Das reicht wohl kaum für die Teilnahme an den olympischen Sommerspielen, freilich haben sie ein anderes Ziel vor Augen: Vorerst mal zurück an den Mythenquai, zum Ruderclub Zürich.
Der Blick in die Ferne respektive das Konzept der Zukunftsorientierung gibt uns eine Vorstellung davon, wie die Gegenwart von etwas geprägt ist, was noch nicht existiert. Unsere Handlungen sind bestimmt von Zielen und Vorstellungen, welche wir anstreben; Fragen, die wir beantworten möchten.

Die Nebelschwaden haben sich aufgelöst. Eine starke Böe zieht über den Zürichsee. Einige Möwen kämpfen gegen den Wind an; einige wechseln in den energiesparenderen Gleitflug.

Was werde ich in zehn Jahren studieren? Werde ich Kinder haben?
(Wann) ist die Pandemie zu Ende? Welche Krisen stehen an?

Wir können Sie in Bezug auf einen Punkt beruhigen: Das Thema «Maske» war gestern – zumindest was die letzte Ausgabe der LGazette betrifft. In dieser Ausgabe möchten wir weiter blicken, die Linsen schärfen. Verbinden Sie mit der Pandemie auch positive Aspekte?

Franz Hohler spricht in unserem Leitartikel etwa von einem Erlebnis, das Hoffnung macht: «In den Lagunen von Venedig sah man wieder die Fische!» In einem Gespräch, das er mit Schüler:innen des LG über die Klimabewegungen von verschiedenen Generationen führte, äusserte er die Hoffnung auf eine Überraschung, auf einen Vulkanausbruch  im übertragenen Sinne, der uns bei der Bewältigung der Klimakrise hilft.
Apropos Hoffnung: Das LG stellt hierfür Weichen. Lorenz Leumann gewährt uns einen Einblick in das Freifach «Klimakrise und Klimaschutz» und berichtet über das grosse Engagement der Schüler:innen der Rämibühlschulen für eine nachhaltigere Zukunft.

Es ist ruhig auf dem Zürichsee. Der Sturm hat sich gelegt. Die Enten ruhen sich aus. Und was geschieht unter der Wasseroberfläche? 40 Meter, 80 Meter, 136 Meter tiefer?

Wie hat sich unsere Schule verändert? Wie wird sie sich verändern?

Auf lange Sicht hat sich auch die Lehrerschaft am LG drastisch verändert. Was denken Sie, wie viele Lehrerinnen zu Beginn der 80er-Jahre als Hauptlehrerinnen an unserer Schule tätig waren? Renée Müller-Weibel war damals eine der wenigen Lehrpersonen weiblichen Geschlechts. Gemeinsam mit Kerstin Peter berichtet sie in unserer Retrospektive über das „LG als Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen“. Der Spiegel wird von Yasmina Mark um 180° gewendet – auf Sie, werte Leser:innen. Als Person of Color berichtet die Autorin von Wenn der Fremdenhass nicht endet, was beginnt dann hier? über Alltagsrassismus und ihr ambivalentes Gefühl, wenn man sich auf die Suche nach einer Antwort auf ihre Titelfrage begibt.

Sind Sie bereit, für Ihre persönliche Zukunft, für unsere Zukunft etwas zu ändern?

Im letzten Artikel der Klimatrilogie CRISPR for future richtet sich Marc-André Fröhlicher mit einem Appell an die Landwirt:innen und die Leserschaft: Gentech-Bio-Gemüse sei die Zukunft und ein Weg, um nachhaltiger zu produzieren.

Wie sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden?

Keine Ahnung? Die Hoffnung auf eine Antwort liegt bei James und Lisa. Die Schüler:innen des Präferenzfachs Physik berichten von zukunftsweisenden Teleskopen, die uns einen Blick in die Vergangenheiten gewähren sollen – einen Blick 13 Milliarden Jahre zurück in die Zeit der Entstehung der ersten Galaxien.

Wer bin ich in 10, in 20 Jahren?

Stimmen zur Klimakrise, zu Sexismus und Rassismus. Und doch überwiegt das Prinzip Hoffnung in dieser Ausgabe! In diesem Sinne wollen wir die letzten Worte auch unseren Absolventinnen erteilen und lassen sie über ihre ganz persönliche Erfahrung an dieser Schule und ihre Zukunftswünsche sprechen. Morgane Ferru, Schauspielerin und LG-Alumni, berichtet über ihre für sie wegweisende Maturaarbeit, ihren Beruf – dessen Hürden und ihre Erfolge. Die diesjährigen Maturandinnen erzählen nachfolgend von ihren Erfahrungen und Zukunftsvorstellungen.

Auf lange Sicht tauchen vor allem Fragen auf: Kennen Sie beispielweise den Sinn des Lebens? Sora Ritzmann sucht im Schlusswort darauf eine Antwort.

Blauer Himmel, Sonnenstrahl. Blick in die Ferne: Die Bergwipfel sind von Weitem klar zu sehen.

 


Fabian Jud und David Diehl sind die Redaktoren der LGazette.
Bilder: Mia Clementi (3i), Julia Magon (3i), Dries Kinsbergen (3b), Lennard Kraus (3b)
Illustration: Louis Habegger (5a)