Essay

We ate – von Avocadotoast und Dubai-Schokolade

Über jugendliches Essverhalten und Social-Media-Trends

Einige sitzen mit einer Chipspackung vor dem Fernseher und schauen Netflix, andere ernähren sich fast ausschliesslich von Salat und Früchten – und für manche ersetzt ein Kaugummi das Frühstück. Das Essverhalten unter Jugendlichen ist sehr vielfältig, geprägt von Trends, Einstellungen oder Lebensphasen. Doch wie kommt es eigentlich dazu, dass wir uns so ernähren oder ernähren wollen? Das Thema Essen wirft, besonders in der Pubertät, immer wieder viele Fragen auf. Und genau diesen will ich nachgehen.

Mit dem Jugendalter beginnen viele, mehr auf ihre Ernährung zu achten. Man möchte sich etwa gesünder ernähren, um so einen schönen Gymbody wie dieser eine Typ auf Instagram zu bekommen oder seine Akne loszuwerden, die einen täglich plagt. Ist das vielleicht auch der Grund, weshalb diese eine Freundin in letzter Zeit nur noch Salat mit Avocados und Eiern isst? Sie sagt, man bekomme dadurch schneller einen flachen Bauch und einen grösseren Hintern… direkt stelle ich mir die Frage: Sollte ich das auch ausprobieren…?

Aber was führt dazu, dass wir anfangen, uns so sehr damit zu beschäftigen? Diese Frage konnte ich nicht mehr aus meinen Gedanken bringen und ich mache, was ich immer mache, wenn ich eine Frage habe: Ich gehe ihr auf den Grund. Grundsätzlich liegt es wohl an dem steigenden Körperbewusstsein. Man achtet plötzlich mehr auf die Gesundheit, möchte mehr Sport treiben und abnehmen, zunehmen oder Muskeln aufbauen. Auch bekommen wir ein klareres Bild davon, was wir als schön empfinden. Wir fangen an, uns mit anderen in unserem Alter zu vergleichen. Uns fällt auf, wer eine tolle Figur hat oder dass jemand ein Sixpack hat und wir nicht. Nicht zu vergessen sind auch die Schönheitsideale in der Gesellschaft – man hat den Eindruck, sich entweder anpassen zu müssen oder sonst blöde Kommentare abzubekommen.

Ist das nicht krass, wie sehr uns das beeinflusst? Schon, oder? Dabei ist die ursprüngliche Idee ja oft, einen gesunden Lebensstil zu pflegen. Verrückt eigentlich, dass dann genau dies in die falsche Richtung gehen und psychische Probleme auslösen kann. Durch diese Schönheitsbilder und Einflüsse von unserem Umfeld werden viele Jugendliche verunsichert und unglücklich. Gerade auf unsere Generation hat Social Media zugegebenermassen einen riesigen Einfluss.

Ich selbst scrolle regelmässig auf TikTok und landete neulich auf einem «What I eat in a day»-Video von einem Mädchen, das berichtete, was es heute gegessen hatte. Ich klickte auf den Kommentar-Button und war geschockt: «Kein Wunder, dass sie aussieht wie ein Big Mac», «So viel esse ich in vier Tagen» oder «Du weisst schon, dass Mädchen nicht mehr als 1800 Kalorien pro Tag essen dürfen, sonst werden sie fett.» Auf Instagram ist es nicht viel anders. In Erinnerung blieb mir ein Selfie von zwei Freundinnen, die bei McDonald’s sitzen. Manchmal hat man eben Lust darauf, und es ist ja auch in Ordnung, ab und zu Fast Food zu essen. Doch die Kommentator:innen sind völlig anderer Meinung: «Das eine Mädchen ist safe Stammkundin dort, haha», «Warum gibt die Dicke der anderen nicht mal was ab» oder «Man sieht, wer nichts und wer beide Portionen gegessen hat». Ja, vielleicht ist die eine ein wenig kurviger und die andere etwas dünner – was ja nicht schlimm ist. Schlimm hingegen sind diese gedankenlosen Kommentare, welche auch ausserhalb der Social-Media-Welt Spuren hinterlassen: Essstörungen, Selbstverletzung und gesundheitliche Probleme, die ja ursprünglich verhindert werden sollten. Und so abstrus es klingen mag: Essen kann zu einem grossen Problem werden, obwohl es ein zentraler Überlebensfaktor der Menschen ist.

Weniger drastisch, doch genauso stark, sind wir doch alle in gewisser Weise von «Essenstrends» beeinflusst. Sie variieren von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. Man kann sich ihnen kaum entziehen. Ich meine, wer hat noch nie etwas von Dubaischokolade gehört? Eben! Zuerst war dies nur ein Trend in den USA, der über Social Media verbreitet wurde. Jeder kennt sie und jeder will sie. Wenn sie so gut aussieht wie in all diesen Ess-Posts, Videos, TikToks – diese knackige, perfekt aussehende Schokolade und die knusprige, cremig-grüne Pistazienfüllung – dann muss sie doch auch gut sein. Der Hype verbreitet sich wie ein Virus. Ja, sogar die eigenen Social-Media-kritischen Eltern müssen unbedingt Dubaischokolade probieren… Doch warum haben wir alle das Bedürfnis, diese grün-braune Spezialität zu kosten? Dubaischokolade ist ein perfektes Beispiel für ein Lifestyleprodukt. Man isst es nicht, weil man Hunger hat – man isst es, um dazuzugehören. Diese ganzen Influencer, die Videos darüber machen und sich inszenieren, möchten uns Folgendes beweisen: «Ich bin im Trend. Ich bin ein Teil dieser Online-Welt.»

Ist das nicht komplett widersprüchlich? Man will mehr auf seine Ernährung achten, aber konsumiert dann solche Kalorienbomben, um gut dazustehen.

Genauso absurd ist der Trend der sogenannten «Mukbang-Videos». Hier zeigen uns Menschen, wie sie verschiedene Lebensmittel – oftmals Ungesundes – in enormen Mengen zu sich nehmen, wie beispielsweise Fast Food, Seafood oder Süssigkeiten. Wieso schauen wir so etwas? Was macht das mit uns, anderen Menschen beim Essen von riesigen Mengen Seafood zuzusehen? Für manche sind es «Ersatz-Gegenüber», um sich nicht so allein beim Essen zu fühlen, andere nutzen diese Videoformate, um sich einen Ersatz für eine reale Mahlzeit zu holen.

Verrückt, oder? Und gerade für uns Jugendliche problematisch. Unser Hirn ist auf der Suche nach einem gesunden Essverhalten. Es sieht auf der einen Seite die «Mukbangs», in denen übermässiger Nahrungskonsum als unterhaltend und lustig dargestellt wird – auf der anderen Seite spüren wir den Druck von aussen, sowohl online als auch offline, einen schlanken und fitten Körper zu haben.

Das Thema Essen umfasst also weit mehr als nur notwendige Energieaufnahme – es ist ein Panoptikum der Schönheitsbilder unserer Zeit, ein Zeichen von Dazugehörigkeit und Teilhabe und leider auch ein immer grösser werdendes Problem.

Zum Schluss möchte ich auch euch Leser:innen ein paar Fragen auf den Weg geben, über die ihr euch Gedanken machen könnt. An meine Altersgenoss:innen: Habt ihr euch schon mal wirklich mit dem Thema «Essen in Bezug auf Schönheitsbilder» auseinandergesetzt? Welches sind eure Lieblingstrends bezüglich Essen? An die Erwachsenen: Welche Trends gab es in Ihrer Jugend? Wie unterscheidet sich das Verbreiten der Essenstrends von früher im Vergleich zu heute? Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien? Wurden Sie schon mal überzeugt, eines der trendigen Nahrungsmittel zu probieren? Wenn ja – entsprach der Geschmack auch dem Hype?

So… Ich muss mich nun verabschieden. Ich muss diese Dubaischokolade jetzt ausprobieren. Ob sich die 15 Franken (komplett überteuert) wirklich gelohnt haben…?

 


Maya Gacond ist Schülerin der Klasse 4i und Teil der Redaktion LGazette