Gespräch

Franzbrötchen, Freundlichkeit und volle Teller

Zwischen Cours Intensiv, Pausenplatz und Pythagoras hat die Mensa einen festen Platz im Schulalltag der Rämibühlschulen – doch was steckt eigentlich hinter dem Essen, das jeden Tag pünktlich zur Mittagszeit mit seinem Duft ins UG lockt? 

 

David: Ich beginne gleich mit einer direkten Frage: Mich interessiert, was Sie für eine Ausbildung gemacht haben und wie Sie zu dieser Stelle gekommen sind.

Mike Pesenti: Das erzähle ich gern. Ich bin ursprünglich gelernter Koch und habe meine Ausbildung 2012 abgeschlossen. Danach war ich während etwa zwölf Jahren als Koch in verschiedenen Bereichen tätig. Ich war auch Küchenchef in der Wintersaison und kurz mal in New York in einem Drei-Michelin-Sterne-Restaurant. Ich habe mich vom Niveau her von A bis Z komplett durchgearbeitet, damit ich viel Erfahrung sammeln konnte. Aber ich habe immer gewusst, dass ich mehr will, als hinter der Fassade in der Küche zu sein: ich wollte mich auch zu den Gästen bewegen. Und darum habe ich in Zürich die Hotelfachschule gemacht, damals noch im Belvoir Park. Nach meiner Ausbildung war ich als stellvertretender Geschäftsführer im Restaurant Lakeside am Zürichhorn tätig, das ist ein grosses Eventlokal, doch da habe ich gemerkt, dass das nicht die richtige Gastronomie für mich ist und schliesslich habe ich im Dezember 2023 diese Stelle als Betriebsleiter der Mensa der Kantonsschule Rämibühl gefunden. 

David: Wir haben uns auch gefragt, was Sie für eine Idee für die Mensa hatten, als Sie die Stelle antraten, also, in welche Richtung wollen Sie die Mensa bewegen? 

Mike Pesenti: Mein Wunsch war es (und daran arbeiten wir noch immer), dass mein Team und ich die Mensa in einen schöneren Ort der Zusammenkunft transformieren können. Die Mensa soll nicht einfach ein klassischer Verpflegungsort sein, zumal sie auch ein Knotenpunkt ist: Hier kommen alle drei Schulen zusammen, hier begegnet man sich. Mit dem Töggelikasten, den Pflanzen, dem Klavier und den vielen Tischen drinnen und draussen soll die Mensa ein Ort sein, an dem man nicht nur isst, sondern auch lernt, spielt oder einfach plaudert. Ich persönlich bin ein sehr leidenschaftlicher, freundlicher und auch geduldiger Mensch, ich versuche jedem ein Lächeln zu schenken, wenn ich es irgendwie kann. Ich habe also probiert, meine Philosophie oder meine Vibes auf mein Team und die Stimmung in der Mensa zu übertragen. Und bis jetzt finde ich, wir sind auf einem guten Weg. 

Maya: Ja, das sehen wir eigentlich auch so, die Mitarbeiter:innen sind sehr freundlich. 

David: Essen Sie eigentlich selber auch in der Mensa? 

Mike Pesenti: Ja, jeden Tag. Es ist in der Gastronomie üblich, dass man einen monatlichen Verpflegungsabzug hat und direkt von Ort immer isst, das ist bei uns auch der Fall. 

Maya: Und was essen Sie gerne? Haben Sie ein Lieblingsessen?

Mike Pesenti: Ich bin sehr offen, ich probiere meistens von allem. Einerseits ist es für mich ein Qualitätscheck. Teilweise sind es Menüs, die meine lieben Köchinnen und Köche schon oft gemacht haben, aber manchmal ist es auch etwas Neues für sie, da probiere ich besonders gerne und gebe ihnen diesbezüglich auch ein Feedback. Aber so ein richtiges Lieblingsessen habe ich nichts… – wobei: mein Lieblingsgebäck ist ein Franzbrötchen, das ist ein kleines Teiggebäck mit Zimt in der Mitte. 

Maya, Jiefu und David sind sich einig: Franzbrötchen sind lecker.

Sonja Binz: Wir von der Gesundheitskommission haben auch wahrgenommen, dass sich die Mensa gewandelt hat, es geht an diesem Ort nicht nur ums Essen: Die Mensa ist ein Treffpunkt, da gibt es Nachhilfestunden, da sitzt man zusammen und diskutiert, es findet ein sozialer Austausch statt und bietet so auch ein «Gegenstück» zu dem, dass man alleine im Gang am Handy sitzt. Wir schätzen diese Investitionen und Bemühungen sehr, denn beim Essen geht es ja weniger darum, sich die nötigen Kalorien und Nährstoffe zu holen. Uns von der Gesundheitskommission ist es aber auch sehr wichtig, dass man in der Mensa gesund essen kann. Ich finde es super, dass es verschiedene Angebote mit und ohne Fleisch gibt und wir schätzen das Salatbuffet sehr, weil die Auswahl breit ist, es auch Rohkost gibt und man Verschiedenes kombinieren kann. 

Aber als Vegetarierin denke ich, es gibt da noch Potenzial. Eine Weile gab es für Vegis sehr viele Planted-Menus, das ist zu einfach: Planted-Nahrungsmittel ersetzen bloss das Protein, das ist aber nicht genussvolles vegetarisches Essen, es gäbe viel, viel mehr, was man mit Gemüse und Getreide herstellen könnte. 

Mike Pesenti: Ja, ich teile die Meinung, dass Essen mehr ist als Nähstoffe zu sich zu nehmen, darum setzen wir ja auch auf Ambiente und versuchen, ein möglichst vielseitiges Angebot zu machen. Dabei sind Gesundheit, Vielseitigkeit und Nachhaltigkeit sicher Themen, aber halt immer auch die Finanzen. 

Nachhaltigkeit ist ein sehr grosser Aspekt bei der Planung und Organisation und ich probiere auch sehr viel dafür zu machen. Wir verwerten zum Beispiel Reste, indem wir daraus mal einen Salat machen oder am Folgetag nebst Reis auch noch Kartoffelgratin vom Vortag anbieten – Esswaren, die man problemlos auch einen Tag später geniessen kann. Und bei uns gibt es kaum Fisch, weil nachhaltiger Fisch aus der Schweiz leider nicht erschwinglich ist. Und Zuchtfisch ist z.T. sehr bedenklich; ich bin selber in Norwegen auf den Lachsfarmen gewesen und da bin ich echt schockiert rausgegangen und habe gedacht, okay, ich liebe Lachs, aber ich glaube, ich esse ihn nie mehr. 

Sonja Binz: Die Bedeutung von Essen ist an einer Schule ja immer wieder auch Thema, zum Beispiel, wenn es um Essstörungen von Jugendlichen geht. Darum ist uns das Thema Essen auch besonders wichtig. Darum haben wir z.B. Mühe mit Trinkmahlzeiten. Für uns hat das nichts mit Trinken zu tun, denn das sind ja alles künstliche Zusatzstoffe und diese Trinkmahlzeiten fördern keine gesunde Esskultur unter Jugendlichen. Viele Zusatzstoffe enthalten auch diese «Mama-Cups», die beim Eingang der Mensa angeboten werden und sicher nicht gesund sind auch die vielen stark zucker- oder fetthaltigen Nahrungsmittel in der Snackbar. Zucker ist ja das Hauptthema unserer Gesellschaft. Es ist mir klar, dass wir hier in der Mensa nicht das gesellschaftliche Problem lösen können, aber dass man ein bisschen in diese Richtung auch aufklären könnte, fänden wir schon wichtig. Aber grundsätzlich muss ich sagen, ich finde, ihr macht einen guten Job. Danke!

Maya: Ich finde, wer will, kann sich ja auch gesund ernähren in der Mensa, es gibt ja viele Möglichkeiten. Und wer lieber Pommes oder Chicken Nuggets will, kann diese in der Snackbar essen, das soll jede und jeder selber entscheiden.

Mike Pesenti: Die Snackbar haben wir auch aus logistischen Gründen eingerichtet: So kann man zwei Schlangen machen, eine für die Menus – das dauert etwas länger – und eine für diejenigen, die schnell etwas zu essen wollen. 

Sonja Binz: Mich nimmt es Wunder, wie so ein Menüplan entsteht. Wer entwirft den? Und welche Überlegungen spielen dabei mit? Worauf legt ihr Wert? Und was sind die Kriterien? 

Mike Pesenti: Grundlegend entsteht der Menuplan basierend auf einer saisonalen Richtlinie kombiniert mit internen Standards. Es gibt eine Jahresplanung, in der ich als Leitung gewisse Entscheidungen fällen kann, zum Beispiel, dass wir mal einen Monat Asien machen usw. Aber es ist auch die Weisung, dass wir immer Vollwertungsmenüs anbieten müssen, und ein Vollwertungsmenü sollte aus einer guten Proteinquelle, Kohlehydraten und Gemüse oder Früchten bestehen. Unsere Schwierigkeit im Moment, und das betrifft eben eigentlich all die gesundheitlichen Themen, die du als Sprecherin der Gesundheitskommission benannt hast, ist, ich sage es ganz offen und ehrlich, dass wir an einem Umsatzproblem leiden. Wir müssen einen bestimmten Umsatz machen und entsprechend auf die Bedürfnisse von unserer ganzen Gästegruppe so gut wie möglich eingehen. Von den rund 2000 Schüler:innen am Rämibühl essen nur etwa 250 in der Mensa zu Mittag.

David: Heisst das, ihr habt überhaupt keine finanzielle Absicherung? Also ihr seid voll selbsttragend und habt trotzdem Auflagen vom MBA? 

Mike Pesenti: Ja, so ist es. Wir müssen auch bei der Zusammenstellung vom Menüplan ganz genau schauen, dass alles stimmt und wirklich eins zu eins perfekt hinterlegen, welche Allergene, Inhaltsstoffe und Nährwerte die Menus enthalten. Auch den Preis pro Portion müssen wir sehr genau berechnen, denn ein Menü für eine Person kostet sehr schnell einmal gegen 4.50 Fr. und wenn wir es für 9.90 Fr. im Durchschnitt verkaufen, dann sind wir fast bei 50% Warenkosten. Damit ist noch kein einziger Mitarbeiter, kein Strom, kein Wasser, keine Infrastruktur usw. bezahlt. Dabei ist auch die Preispolitik an das MBA gebunden – das alles ist relativ schwierig oder herausfordernd für uns.

Ich möchte zum Beispiel tendenziell von industriell verarbeiteten Proteinkomponenten wegkommen und mehr natürliche proteinhaltige Nahrungsmittel wie Linsen und andere Hülsenfrüchte anbieten und ich bin auch dabei, die Rezepte etwas anzupassen, zum Beispiel beim Kompott, der enthält recht viel Zucker. Alles in allem probiere ich die Balance zu finden zwischen finanziellem Druck, Gesundheit und Genuss und setze dabei auf das gesunde Mass.

Jiefu: Wie sieht es mit der Konkurrenz aus?

Mike Pesenti: Die Konkurrenz ist natürlich im Umkreis. Wir haben doch ein paar starke Konkurrenten, besonders der Avec an der Freiestrasse, der im Juni vor einem Jahr eröffnet hat, ist einer der grössten Konkurrenten, obwohl wir natürlich versuchen, dem entgegenzuwirken. Aber ich kann die Schüler und Schülerinnen auch verstehen, man hat vielleicht auch mal Lust, das Schulgebäude zu verlassen und sich mit Kollegen oder Kolleginnen draussen zu treffen, um schnell einen Döner oder eine Pizza zu holen. Habt ihr einen Tipp, wie wir uns verbessern oder unsere Stärke weiter ausbauen können, damit wir vielleicht noch mehr Schüler:innen erreichen können?

David: Ich glaube, es geht hauptsächlich um Preis und Quantität. Qualität ist für viele Schüler:innen nicht so wichtig. Den Preis können Sie nicht bestimmen, das ist mir jetzt auch klar. Aber ich glaube wirklich, dass das ein Faktor ist, der zählt. Es ist einfach schwierig, mehr anzubieten als das, was z.B. Avec verkauft, dort kostet ein Mittagessen halt sehr wenig, und die Schüler und Schülerinnen kaufen es, auch wenn es wahrscheinlich nicht so gesund ist. 

Maya: Also ich fühle wirklich, dass es auch etwas Soziales an sich hat, in der Mensa zu sein. Ich finde es mega gut, dass wir da alle zusammensitzen können, da passieren auch immer wieder Dinge, die ohne Mensa nicht wären.

Mike Pesenti: Okay, schön, danke, das freut mich. 

David: Ja, ich glaube auch, dass die Mensa mega wichtig ist, weil wir eigentlich im ganzen Schulhaus keinen Ort haben, wo man gut zusammensitzen kann. Aber ich denke, manchmal sind die Portionen zu klein, kann man eigentlich nachschöpfen?

Mike Pesenti: Das ist auch so ein kompliziertes Thema, an dem wir herumdenken und verschiedene Ideen haben. Das Problem beim Nachschöpfen ist, dass es sehr oft ausgenutzt wird, dass also jemand für andere holt und mehrmals kommt. Das ist schwierig für mich, weil ich die Schüler und Schülerinnen ja nicht verdächtigen will. Ich habe mir überlegt, dass wir vielleicht gegen einen Aufpreis von z.B. 2 Franken eine etwas grössere Portion anbieten könnten. Also wenn ihr eine andere Idee habt, wie wir damit umgehen könnten, bin ich sehr interessiert und offen. 

Nun würde ich noch gern wissen, was esst ihr denn gerne in der Mensa? Was sind euere Lieblingsgerichte? 

Jiefu: Alles.

Maya: Ich esse nicht so häufig in der Mensa, ich nehme meistens etwas von zu Hause mit, aber ich finde die Lasagne sehr fein und die Älplermakkaroni mag ich auch. 

David: Also am liebsten habe ich die Tagliatelle mit Fleischsauce, aber ich weiss nicht, ob es die immer noch gibt…

Maya, David und Jiefu: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Falls der Text zu Ideen angeregt hat: Lasst diese doch auch Mike Pesenti zukommen; mpesenti@zfv.ch.

 


Sonja Binz unterrichtet am LG Sport und ist Teil der Gesundheitskommission, Mike Pesenti ist Betriebsleiter der Rämibühlmensa.
Maya Gacond, David Maier und Jiefu Liu sind Schüler:innen der Klasse 4i und Teil der Redaktion LGazette.