Editorial

GRENZEN SEHEN

Liebe Leser:innen   

Waren Sie unlängst in der Ankunftshalle eines Flughafens? Haben hinter der Glasscheibe auf Menschen am Gepäckband gewartet? Die müden Augen, knittrigen Hosen lassen erahnen, dass die Leute am Gepäckband etwas erlebt haben. Vielleicht sind sie mitgenommen von der langen Heimreise, vielleicht übersättigt von Urlaubseindrücken. Mit ihrem Reisegepäck machen sie sich auf den Weg durch den Zoll und zack sind sie auf Zürcher Boden, mitten im Alltag gelandet.  

Dabei sind sie bloss über eine Grenze gestapft. 

Selten nehmen wir Grenzen bewusst wahr, selten lassen sie sich mit dem Lineal exakt ausmessen. Grenzen sind Konstrukte, ausgedacht, ausgehandelt oder auch erstritten von Menschen. Sie begrenzen, schaffen Ordnung, geben Halt, grenzen aus oder ein. 

Auch unsere Schule ist ein Ort, wo wir Grenzen begegnen, sei es zwischen Klassenstufen, Fächern, zwischen sozialen Gruppen oder auch in Form von Reglementen oder einer Hausordnung. So geht es auch allen Neuankömmlingen ähnlich, sei es hier oder anderswo: Man kommt nicht umhin, Grenzen bewusst zu sehen, sich mit ihnen vertraut zu machen, um sie dann zu leben und als aktives Wissen wieder vergessen zu dürfen. 

Die Arbeiten in der vorliegenden Ausgabe der LGazette widmen sich diesem vergessenen Fundus. Sie rollen das Thema «Grenzen» in vielen Spielarten und mit unterschiedlichen Perspektiven auf.  

So startet der Essay «Faszination von Aliens» mit dem Gedanken, welches Schlaglicht ein Nachdenken über extraterrestrisches Leben auf unser Menschsein zurückwirft. (S. 12) Im Gespräch mit unserem Schulsozialarbeiter Lucas Arquint wird über mentale Gesundheit und das Erreichen von persönlichen Grenzen gesprochen. (S. 18) Der Bericht «Ja ist Ja» (S. 28 ) nimmt das reformierte Strafrecht in den Blick und beleuchtet das Phänomen «Freezing» anhand eines prominenten Kriminalfalles.  

Die folgenden Beiträge sprengen ebenfalls die Grenzen des Zweidimensionalen. In zwei Podcastfolgen (S. 36) sprechen unsere Redakteurinnen mit zwei spannenden Menschen, welche ihr Leben anderen verschrieben haben und täglich mit Ausnahmesituationen konfrontiert sind. Einen kreativ-philosophischen Zugang zum Thema legen vier Videoessays. (S. 48) Konkreter wird es in der Retrospektive (S. 64): Im Interview mit Melanie Baumgardt erfährt man, wie sie den Fall der Berliner Mauer hautnah miterlebt hat.   

Wie sich die Grenzen des Individuums auflösen können und in ein grösseres Ganzes eingehen, ist im Essay zum Fankult des FCZ nachzulesen. (S. 54)  

Zu guter Letzt finden auch zwei Erzählungen Eingang in diese Ausgabe. «Der Traum vom Kolibri» (S. 40) und «Stirb schnell» (S. 72) thematisieren auf ihre ganz eigene Art «Grenzen» und überformen diese poetisch. 

Vielschichtig, reichhaltig und ungeheuer spannend war die Vorbereitung dieser Ausgabe mit den Schüler:innen der Redaktion LGazette und in Zusammenarbeit mit der Art Direktorin Martina Caviezel. Sie alle brechen zu neuen Ufern auf und ihnen allen sei für ihre wertvolle Arbeit gedankt. 

Falls Sie bereits Ihre nächsten Ferien herbeisehnen: Vergessen Sie nicht, Grenzen sind vielerorts auszumachen, man braucht bloss hinzusehen. 

 

Wie wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre! 

 


Die Redaktion

Illustration: Robyn Lily Glass-Arnott (1i SJ 23/24)