INTERVIEW

Das Hyperloop Transport System

 

Mit Doré de Morsier sprachen Nicolas Lohse und Laurin Scherrer

 

Wir treffen Doré de Morsier vor dem Haupteingang des LG Rämibühl. Er wirkt sympathisch und sehr freundlich und bietet uns auch gleich an, ihn bei seinem Vornamen zu nennen und auf den formellen Teil zu verzichten. Als wir durch den Gang des LG laufen, bemerkt er lachend, dass sich überhaupt nichts verändert habe. De Morsier kam 2006 ans LG und verbrachte sieben Jahre, inklusive eines Jahres Sprachaufenthalt in Japan, an unserer Schule. Mittlerweile ist er Gründer und Vorsitzender des Stiftungsrats von Eurotube, einer Non-Profit-Organisation mit Hauptsitz in Dübendorf. Eurotube beschäftigt sich mit der Forschung im Bereich der Hyperloop-Technologie und hat unter anderem erfolgreich an SpaceX-Wettbewerben teilgenommen.

Hyperloop ist ein Konzept eines 900 km/h schnellen Zuges, welcher in Zukunft mit Hilfe eines Vakuums Güter und Personen transportieren soll. Dafür sind spezielle Technologien und Tunnel notwendig, die sich im Moment in der Entwicklungsphase befinden. Wir wollen mit De Morsier über seine Zeit am LG und seine Laufbahn nach der Schule sprechen.

 

Nico: Lieber Doré, danke, dass du dir die Zeit genommen hast und dich für ein Interview zur Verfügung stellst. Du musstest vorhin schmunzeln, als du durch die Gänge des LG gingst. Was ist dir in Erinnerung geblieben? Welche Fächer haben dir besonders gut gefallen?

Doré: Am LG waren meine Lieblingsfächer stark beeinflusst durch die Lehrer:innen. Biologie war das Fach, das ich am liebsten hatte, das war im IB auch mein Higher Level Fach. Danach kamen die Sprachen, die muss man ja fast gern haben am LG, sonst wäre man hier am falschen Ort (lacht). Am prägendsten war sicher Englisch, auch durch das IB.

Nico: Du hast Biologie als Higher Level gewählt und fandest auch Gefallen daran, wieso hast du nicht Biologie studiert?

Doré: Gute Frage. An Biologie interessierten mich immer die Grundlagen, in Physik ging es eher um die Theorie. Am LG wurde mir mitgegeben, dass man sich von Zeit zu Zeit von den grundlegenden Dingen und Basics lösen sollte, um neue Sachen zu entdecken. Ich habe an der Universität auch Fächer belegt wie Biophysik. Von der Ausbildung her betrachtet, ist das sicherlich etwas ganz anderes. Ich fragte mich als Schüler oft, warum ich nicht ans MNG gegangen bin. Im Nachhinein bereue ich es allerdings nicht, dass ich am LG geblieben bin.

Laurin: Stattdessen hast du dann das IB gewählt. Wie hat dir das in deinem späteren Leben geholfen?

Doré: Dass die Kommunikation mit anderen Menschen funktioniert, ist im Berufsleben zentral. Das ist etwas, was unterschätzt wird, wenn man von der Schule an die Universität wechselt. Hier ist vieles auf Leistung und Fachspezialisierung getrimmt. Umgang, Zusammenarbeit und menschliche Qualitäten lernt man aber eher im Rahmen einer humanistischen Ausbildung wie am LG, vielleicht noch mehr als an einem Wirtschaftsgymnasium oder am MNG. Es ist sicherlich etwas Schönes, dass man in Klassen Debatten führen kann. Das ist etwas, das man an der ETH viel weniger macht. Dort wird nicht gross debattiert oder ein kritischer Dialog geführt.

Laurin: Die Physik und der Ingenieursbereich weckten dein Interesse an Hyperloop. Was brachte dich sonst noch dazu, ein solch umfangreiches und komplexes Projekt ins Leben zu rufen?

Doré: Es war eher ein Zufall. Ich war im Sommer in Boston und traf am MIT (Massachusetts Institute of Technology) eine Gruppe von Studierenden, die bereits an diesem Thema arbeiteten. Und so entstand die Idee, dass an der ETH auch ein Team an dieser Technologie arbeiten sollte. Denn in der Vergangenheit gab es in der Schweiz bereits Denkanstösse, um die Idee umzusetzen, sogar während des Gymnasiums hatte ich davon gehört und hatte schon damals Gefallen daran gefunden. In der Schweiz konnten wir es dann in einer Gruppe von Studierenden entwickeln. 

Laurin: Wie hast du die Leute, die motiviert waren, zusammengebracht, um an einem Projekt wie Hyperloop zu forschen?

Doré: Das ging über eine Webseite, die wir entwickelt und verbreitet haben, um das Interesse bei den richtigen Leuten zu wecken. Schlussendlich sind viele Leute zusammengekommen, was aber auch nicht ganz einfach war, da das Projekt anfangs für alle Beteiligten nur ein Hobby war.

Laurin: Das Projekt wurde aber schnell von der ETH unterstützt, nicht?

Doré: Genau. Wir hatten drei, vier Monate Zeit, um der ETH zu zeigen, dass das Projekt eine gute Sache ist. Danach war die ETH schnell von der Idee überzeugt und hat uns unterstützt. Inzwischen ist es sogar ein Programm, an welchem Studierende teilhaben und Kreditpunkte erwerben können. Dass wir es nachher weitergeführt haben und uns vorgenommen haben, in der Schweiz einen Standort mit Testanlage aufzubauen, lag daran, dass wir von anderen führenden bzw. grossen Projektgruppen und Institutionen unabhängig sein wollten. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem mehrere Studentengruppen an verschiedenen Projekten in unterschiedlichen Teilen des Projekts Hyperloop arbeiten und sogar mittlerweile eine richtige Community bilden.

Nico: Wie sieht das Konzept hinter dem Projekt Hyperloop aus und was sind eure Ziele?

Doré: Das Hyperloop-Konzept ist nichts Neues. Diese Faszination gibt es schon lange, der Ursprung liegt in der Science-Fiction und die Grundidee ist recht trivial. Ein Fahrzeug, das aufgrund hoher Geschwindigkeit durch den Luftwiderstand signifikante Mengen an Energie verbraucht, ist nicht wirklich effizient. Um dies zu ändern, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: den Luftdruck bis ins Vakuum zu senken. Ein weiteres Problem ist, dass Züge in Tunnel fahren und durch die komprimierte Luft prozentual noch mehr Energie verbraucht wird. Auch deshalb ist der Hyperloop im Vorteil, da man kleinere Tunnel benötigt. Das heisst, man gewinnt auch an Volumen. In der Schweiz wird ein solches System grösstenteils unterirdisch sein. Aber natürlich, es ist im ersten Moment nicht zwingend offensichtlich, warum man es in der Schweiz entwickeln und man nicht einfach in Europa zusammenarbeiten sollte. Das ist auch der Grund, warum wir uns für Eurotube entschieden haben. Wir haben die Vision, europäisch und international Erfolg zu haben und unsere Technologie zu zeigen und als Standard festzulegen, damit wir uns wirtschaftlich sowie auch netzwerk-technisch in Europa etablieren können.

Laurin: Also grob zusammengefasst ist Hyperloop ein Netz aus unterirdischen Tunnels, in denen Hochgeschwindigkeitszüge Europa miteinander verbinden.

Doré: Genau.

Nico: In welchem Bereich liegen deine Aufgaben und welche Position belegst du innerhalb der Forschungsgruppe an der ETH und parallel natürlich auch bei Eurotube?

Doré: Am Anfang arbeitete ich an der Entwicklung des Vakuumsystems. Mittlerweile haben wir ein Team von über zehn Personen. Aufgrund dessen habe ich eine führende Position übernommen. Jetzt, wo wir zwei Anlagen bauen, die wir schon detailliert geplant haben, ist es wichtig, die Finanzierung sicherzustellen. Das heisst, vor allem zu verstehen, wo die Technologie die grösste Wertschöpfungen bringt, welche Interessen und Zielgruppen adressiert werden müssen. Das ist auch etwas, was ich am LG gelernt habe: «target your audience!»

Laurin: In welchem Stadium befindet sich denn das Projekt Hyperloop im Augenblick?

Doré: Wir arbeiten zurzeit daran, die Sicherheit der Testanlagen zu testen und physische Beweise vorzulegen. Dies ist ein Ziel, welches einen Horizont von 15 bis 20 Jahren hat. In der Zwischenzeit gibt es verschiedene Etappen und eine davon ist die Demonstrationsanlage Demotube in Dübendorf. Dort können wir die Subsysteme testen, die wir später auf der grösseren Anlage verwenden werden. Das sind die grossen, wichtigen Etappen. Es ist jetzt wichtig, dass unser Team erkennen kann, wo noch Unsicherheiten sind, was jedoch rückblickend immer schwierig ist, da so viele Komponenten zusammenkommen. Auch für ein grosses und erfahrenes Unternehmen wie die SBB – mit welchem wir zusammenarbeiten – ist vieles neu. Wir müssen unsere Resultate möglichst gut kommunizieren. Wo läuft es gut? Was sind Schwächen und Stärken? Perspektiven aufzeigen zu können, ist eine Grundlage, die man bereits am Gymnasium lernt. Leute schriftlich oder mündlich zu überzeugen, ist etwas, das ihr am LG sicher gut lernt – es lohnt sich jedenfalls!

Laurin: Du hast vorhin gesagt, dass ihr mit der SBB zusammenarbeitet. Eurotube ist ein europäisches Netzwerk. Wie sieht hier die Zusammenarbeit mit dem Ausland aus? Etwas zynisch gesprochen: Die Deutsche Bahn muss zuerst einmal ihr herkömmliches Schienennetz auf den neusten Stand bringen. Sie habt sicher nicht die Kapazität, sich auf ein Projekt wie Hyperloop einzulassen.

Doré: Die Zusammenarbeit mit den grossen Bahnunternehmen ist interessant, weil diese für die Finanzierung dieser ÖV-Infrastrukturen natürlich ein grosses Gewicht haben, – gerade bei öffentlichen Trägerschaften wie zum Beispiel einem Bundesamt für Verkehr oder allgemein bei der Politik. Was sich bei den französischen oder deutschen Bahnen bemerkbar macht, ist, dass sie lange nicht in ihre Infrastruktur investiert haben. Will heissen, dass auf sie eine grosse Welle an Investitionen zukommt und daher rechnet es sich wirtschaftlich sogar eher, wenn man direkt in ein futuristisches Projekt wie Hyperloop investiert. Die Performance eines Hyperloops ist sehr viel besser im Vergleich zu dem, was die Bahn im Moment leisten kann. In Italien soll zum Beispiel eine Anlage von 30 Kilometern entstehe – zwischen einem Hafen und einem Logistikzentrum –, um Güter zu transportieren und zu schauen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist.

Laurin: In Deutschland, in München, haben sie vor kurzem eine Testbahn gebaut. Handelt es sich hierbei auch um einen Standort von Eurotube oder ist das eine andere Organisation?

Doré: Dort handelt es sich um die Technische Universität München, mit welcher wir allerdings im regelmässigen Austausch stehen.

Laurin: Tauscht ihr euch demnach regelmässig untereinander aus?

Doré: Sicher.

Laurin: Ganz Europa wie auch die USA sind somit eigentlich miteinander verbunden in Form einer Community?

Doré: Mit Amerika sind wir weniger in Kontakt, aber in Europa auf jeden Fall. Es gibt ein Gremium, bei dem wir als Expert:innen dabei sind. Die Schweiz hat hierbei ein Stimmrecht. Ich weiss gar nicht, wie viel Mitspracherecht die anderen haben – wahrscheinlich mehr (lacht). Aber auch wenn wir eine von dreissig Stimmen haben, wir können immerhin mitreden. Den Schweizern hört man, glaube ich, gerne zu, wenn es um Bahn und Technologie geht.

Nico: Du sagst ja, dass ganz viele Länder daran sind, die Technik für Hyperloop zu entwickeln. Denkst du, dass die Schweiz einen grossen Einfluss auf diese Entwicklungen hat, oder glaubst du, dass wir mitwirken, um dabei zu sein?

Doré: Ich glaube, in der Schweiz ist man in punkto Bahn sehr stark gewesen und ist es immer noch. Aber es besteht wirklich ein Risiko, wenn wir hier im wahrsten Sinne des Wortes den Zug verpassen. Es könnte später schwierig sein, wieder einzusteigen. Wenn eine Technologie Fahrt aufnimmt, dann ist es schnell so, dass die Unternehmen, die vorne mit dabei sind, die Industrie zu ihrem Vorteil gestalten können. Und in der Schweiz, wo der heimische Markt nicht so gross ist, ist es umso wichtiger, dass gerade international tätige Unternehmen mit dabei sind. Natürlich handelt es sich immer um Zukunftsversprechen. Es steht im Moment jedoch auch noch nicht allzu viel auf dem Spiel. Wir reden hier von einem zweistelligen Millionen-Betrag, welchen wir jetzt investieren. Das sind noch keine Milliarden, die der Staat investiert, um beispielsweise eine Bank zu retten (lacht).

Laurin: Wie siehst du die Zukunft von Hyperloop? Wird es erfolgreich sein oder ist es möglich, dass alles urplötzlich zusammenbricht?

Doré: Wie gesagt, zusammenbrechen kann es aus diversen Gründen sehr schnell. In Deutschland haben zwei grosse Unternehmen, darunter Siemens, eine Magnetschwebebahn entwickelt, die jetzt in China fährt – 20 Jahre später. Die Pioniere waren also eigentlich die Deutschen. In Deutschland gab es einen einzigen Unfall. 20 Leute sind gestorben. End of story. Da stell sich natürlich die Frage, ob es notwendig ist, auf einer Testanlage Menschen zu befördern, bevor die Technologie ausgereift ist. Die Chinesen sagen, dass sie daraus gelernt und jetzt ihr eigenes System haben. Technologie kann auf die undenkbar dümmste Weise verschwinden und später kommt sie vielleicht irgendwann einmal wieder. Was mir jetzt in unserem Fall beim Hyperloop überzeugend erscheint, ist, dass es nicht nur ein, zwei oder drei Unternehmen sind. In China wird die Technologie unter einem anderen Namen entwickelt.  Das kann nicht alles auf einmal verschwinden.

Nico: Vielen Dank! Wir würden dir noch gerne eine letzte Frage stellen: Was würdest du LG-Schüler:innen auf den Weg geben?

Doré: Tough (lacht). Man muss ab und zu bereit sein, ein Abenteuer einzugehen. Ich glaube, ich wäre nicht hier, wo ich jetzt bin, wenn ich nicht so abenteuerlustig wäre. Wichtig ist auch, dass man herausfindet, was man wirklich möchte und entsprechende Prioritäten setzt. Auf der intellektuellen Ebene – wenn die Frage darauf abzielt – ist es manchmal am besten, in sich hineinzugehen und sich zu fragen, ob man das macht, wofür man am meisten Passion verspürt. Findet man seinen eigenen Weg oder geht man mit dem Mainstream und lässt sich einfach Sachen aufdrücken. Natürlich kommt es völlig auf den Typ Mensch an, aber für mich war es immer etwas Besonderes, neue Sachen auszuprobieren. Bei mir war es Japan – ins komplett Ungewisse zu gehen. Zwei Monate bevor ich abgereist bin, habe ich angefangen, Japanisch zu lernen. Das war offensichtlich nicht genug. Danach bin ich zurückgekommen und konnte die Sprache fast fliessend sprechen. Darum sollte es einem nicht zu schade sein, schon am Gymnasium seine Passion zu finden und dafür auch mal einen Fehltritt zu machen – auf jeden Fall hat man ein Abenteuer erlebt.

Laurin: Vielen Dank, Doré, für diesen spannenden Einblick! Wir wünschen dir alles Gute und viel Erfolg in der Zukunft.


Nicolas Lohse und Laurin Scherrer besuchen am LG die Klasse 4i.
Bild: Elena Benzoni